HALBZEIT ... oh. Schon vorbei.

 

Irgendwie kommt es uns vor, als wäre es gestern gewesen – und irgendwie ist es auch schon so lange her. Wir standen am Flughafen und verabschiedeten uns von unserer Familie. Mit dem Starten des Flugzeuges begann dann ein für uns völlig neuer Lebensabschnitt – ein Jahr in Südafrika. Ein Jahr, in dem wir so ziemlich auf uns alleine gestellt sind, wir nicht mal eben zum Supermarkt oder unseren Freunden fahren können, in dem wir in eine für uns ganz neue Kultur Einblick bekommen dürfen und in dem wir mehr Verantwortung übernehmen müssen als sonst. Das sind nur einige Dinge, die sich auf einmal für uns änderten. Und plötzlich ist die erste Hälfte unseres Freiwilligenjahres auch schon um – denn heute sind wir seit genau sieben Monaten in Südafrika.

 

Wir nutzen dies nun mal als Anlass, um auf die vergangenen Monate zurückzublicken und noch mal unsere Pläne für die zweite Hälfte festzuhalten.

 

Als wir in Südafrika landeten, war erst einmal alles neu. Das ging schon in East London im Supermarkt los, als wir unsere Einkäufe an der Kasse einpacken wollten, dies aber gleich von den Mitarbeitern übernommen wurde. Da kamen wir uns erstmal schon etwas komisch bei vor. Generell wurden wir sehr freundlich empfangen. Zu einem typischen Smalltalk in Südafrika, vor allem in kleineren Orten wie Bulungula gehört es dazu, dass man sich nach dem Wohlbefinden des anderen erkundigt. Eine schöne Geste, durch die man auch viel schneller mit neuen Menschen ins Gespräch kommt. Der Straßenverkehr war etwas gewöhnungsbedürftig – schließlich fährt man hier auf der linken Straßenseite. Wenn es dabei mal geblieben wäre aber nein, selbst bei den Klotüren muss man manchmal in die entgegengesetzte Richtung verriegeln. Aber all dies sind Dinge, an die wir uns schnell und gerne gewöhnt haben.

 

Auch die allgemeine Atmosphäre in der Stadt war anfangs ungewohnt. Es gibt Stände, an denen Obst, Schmuck und andere Dinge verkauft werden. Am liebsten wären wir da ausgestiegen, um uns alles etwas genauer anzuschauen. Gerade in Großstädten wie East London muss man aber vorsichtig sein, was das Thema Kriminalität angeht, deshalb sollte man in bestimmten Gegenden seine Autotüren verriegeln und nicht mit all seinen Wertsachen einfach durch die Stadt spazieren.

 

Unsere ersten Eindrücke wurden aber gleich noch mal um quasi das Gegenteil erweitert, als wir dann in Bulungula ankamen. Da fährt man nicht zwingend auf der linken Straßenseite, sondern auf der besseren. Kriminalität ist hier kein Thema, stattdessen haben wir schnell das Gefühl bekommen, in der Community gut aufgenommen worden und geborgen zu sein.

 

Nun, aber was hat sich seit unserer Ankunft für uns alles verändert? Zu Anfang waren wir oft noch ziemlich unsicher. Was ist, wenn die Kinder uns nicht mögen oder wir etwas falsch machen? Was ist, wenn wir schlechte Freiwillige sind und es überhaupt nicht hinbekommen, den Sportunterricht erfolgreich zu gestalten? Und auf was muss man sonst noch so achten?

 

Die Schüler der Grade 9 sind teils älter als wir. Wie sehr sollte man versuchen, sich bei denen durchzusetzen? Wir sind ja schließlich keine „richtigen“ Lehrer. Also konnten wir nur hoffen, dass sie uns akzeptieren und motiviert mitmachen möchten. Was wir schnell gemerkt haben, dass man den Sportunterricht nicht einfach so durchführen kann, wie man sich das vielleicht vorstellt. Man kann einer Klasse mit 70 Schülern nicht einfach sagen, dass sie sich drei Runden einlaufen sollen, wir dann ein Krafttraining machen und uns in zwei Teams aufteilen, um Fußball oder Netball zu spielen. Irgendwelche Leute sind immer dabei, die keine Lust haben, sich auf den Rasen legen und sagen, dass sie müde sind. Gerade die jüngeren Klassen sind durch die großen Klassengrößen oft sehr laut. Auch die Idee, während des Spiels Musik anzumachen, war in der Theorie besser als in der Praxis, weil dann nur alle aufhören zu spielen und wollen, dass wir etwas vortanzen. Besonders wenn die Schüler dann auch noch alle anfangen zu lachen und etwas auf isiXhosa sagen, was wir nicht verstehen, kam dieses Gefühl der Unsicherheit auf. Das hat sich aber inzwischen geändert. Wir haben gelernt, dass man nicht alles so persönlich nehmen darf und wir uns lieber auf den Großteil der Gruppe konzentrieren sollten, der Bock hat, am Sportunterricht teilzunehmen. Wir sind der Meiung, dass jemand, der nicht mitmachen will, auch nicht dazu gezwungen werden soll, schließlich wollen wir nicht, dass Sport für jemaden mit negativen Gefühlen in Verbindung gebracht wird. Da wir die Sprache aber inzwischen schon so gut können, dass die grundsätzliche Verständigung besser funktioniert und die Schüler so auch merken, dass wir uns für ihre Sprache interessieren und uns nicht einfach auf stur stellen und nur Englisch mit ihnen reden, läuft der Sportunterricht gut. Die Teams sind schneller gebildet und selbst die Klasse dazu zu motivieren, zwei Runden mit uns einzulaufen, läuft inzwischen meistens ganz gut. Vielleicht liegt das aber auch an unserer Grundeinstellung, die sich geändert hat. Gerade bei den jüngeren Klassen haben wir den Gedanken, dass wir unbedingt eine strukturierte Sportstunde hinbekommen wollen, inzwischen etwas in den Hintergrund gerückt. Denn dann müssten wir alle Kinder, die uns in den Arm nehmen oder uns etwas erzählen möchten, eiskalt ignorieren und sagen, dass sie jetzt mitmachen sollen. Zu Anfang versuchen wir immer, erst einmal einen Kreis zu machen und dann ein Spiel wie „Drop the Ball“ zu spielen, wenn es gut läuft, bauen wir dann noch einen Parkur auf oder spielen noch andere Spiele. Wenn die Kinder aber gar nicht zu bändigen sind, bieten wir ihnen einfach verschiedene Stationen an, sodass sie sich aussuchen können, ob sie Fußball, Netball, Fangen spielen, Seilspringen oder einfach herumtoben möchten.

 

Was sich sonst noch alles geändert hat, können wir teils gar nicht so wirklich sagen, weil viele Dinge einfach inzwischen so alltäglich geworden sind, dass es uns gar nicht mehr bewusst ist, dass es mal anders war. An unserem allgemeinen Tagesablauf hat sich beispielsweise nichts wirklich geändert. Es gehört einfach dazu, dass wir morgens um kurz vor halb neun das Haus verlassen, um 10:10 Uhr vom BI eine Stunde zur Schule gehen, dort den Sportunterricht machen und Zeit mit den Kindern verbringen. Um kurz vor drei geht es dann zurück zum BI und um 17:00 Uhr haben wir Feierabend und werden zuhause von unseren Nachbarskindern empfangen, mit denen wir dann malen, herumtoben oder etwas spielen. Manchmal kommen auch Rapgruppen vorbei, um neue Songs aufzunehmen.

 

Nun haben wir in den letzten paar Monaten aber auch sonst schon einiges erreicht. Im Oktober haben wir eine isiXhosa-Englisch-App erstellt, wofür wir einige Wochen gebraucht haben, da wir die ganzen Vokabeln aus dem Wörterbuch, nachdem sie von einem Programm eingescannt wurden, noch einmal durchkorrigieren mussten.

 

Für dieses Jahr haben wir es auch geschafft, einen Stundenplan zu bekommen, der es uns ermöglicht, den Sportunterricht noch an einer zweiten Schule anzufangen! An zwei Tagen in der Woche können wir nun, bevor wir zur Xora Mouth J.S.S. gehen, noch an der Senior Primary School „No Ofisi“ arbeiten.

 

Seit Ende September sind wir ja nun auch mit dem Jugendzentrum beschäftigt, über das wir euch hier auf dem Laufenden halten.

 

Ansonsten hatten wir noch ein paar kleine persönliche Erfolge im trauten Heime, beispielsweise haben wir ja herausgefunden, wie wir auch ohne Backofen Kekse, Brot und Kuchen machen können. Letztens haben wir außerdem endlich mal unser Haus von innen gestrichen! An die etwas grell geratene Wand im ersten Raum mussten wir uns zwar erst einmal gewöhnen aber sonst sind wir ganz zufrieden! :D

Die nächsten Monate haben wir auch noch einiges vor. Das größte Projekt bleibt wohl das Jugendzentrum, an welchem wir dann auch Fußball- und Netballturniere sowie Projekttage organisieren wollen. Unsere Arbeitszeit wird sich wahrscheinlich auf einige Samstage erweitern, damit wir all dies auch zeitlich hinbekommen.

 

Neben dem Jugendzentrum haben wir aber auch noch einen Plan, und zwar wollen wir ein Schwimmprojekt starten. Leider kann ein Großteil der Bevölkerung in Bulungula nicht schwimmen, die Kinder spielen aber trotzdem gerne am Wasser. Vor einigen Monaten ist ein Kind von den Wellen mitgerissen worden und nicht wieder aufgetaucht. Wir erhoffen uns, den Kindern durch Schwimmkurse zwar einerseits das Schwimmen beibringen, ihnen aber auch die Gefahren des Meeres näherbringen zu können, sodass sie in Zukunft besser einschätzen können, dass sie relativ schnell machtlos gegen die Wellen sind. Schwimmausrüstung haben wir zur Genüge, nun müssen wir nur noch eine geeignete, möglichst flache Stelle im Fluss finden, wo wir den Schwimmunterricht anbieten können.

 

So. Zu jedem Text gehört ja auch ein Fazit. Alsoo. Rückblickend auf die letzten Monate können wir sagen, dass wir schon viel erlebt und auch schon einige unserer Ziele in die Tat umgesetzt haben. Aber die Zeit rennt und seit der zweiten Hälfte des Jahres kommt es uns so vor, als würde sie noch schneller vergehen. Unsere Hauptziele für die nächsten fünf Monate sind es daher vor allem, dass wir unsere Ziele nicht aus dem Blick verlieren, alles, was wir jetzt erledigen können, nicht auf wann anders verschieben und wir im Augenblick leben und jede Sekunde, vor allem die Zeit mit den Kindern und Eselbabys, genießen und das Beste draus machen.

 

In diesem Sinne: it's better to burn out than to fade away, my mind hey hey.

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Kommentare: 1
  • #1

    Catharina (Montag, 16 April 2018 10:20)

    starkes Team, insbesondere wenn man bedenkt dass da 2 Jugendliche direkt aus dem behüteten Elternhaus in eine andere Welt hineinkatapultiert werden, und plötzlich selbst die Verantwortung für andere Menschen und auch ganz allein für sich selbst übernehmen. ein mutiger Kampf für eine etwas bessere Welt. weiterhin viel Spaß, viel Kraft und viel Erfolg bei euren Vorhaben!!!!!